Ausbildung bei dm – wie ich als junge Mami den Ausbildungsplatz bekommen habe

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Ich liebe es Mami zu sein. Mit meinen Kindern zu spielen. Gabriel und Mille zu baden, ihnen essen zu kochen, mit ihnen spazieren zu gehen, auf den Spielplatz zu gehen, mit ihnen einzuschlafen und mit ihnen aufzuwachen.

Als wir dann aber den Kindergartenplatz für die U3-Gruppe für Gabriel bekommen haben, war er gerade 8 Wochen im Kindergarten. Die erste Zeit habe ich genossen. Mal ein paar Stunden Ruhe nur für mich. Nichts tun..
Irgendwann wurde mir aber langweilig. Das bin ich einfach nicht. In meiner Wohnung sitzen, die vom Arbeitsamt finanziert wird, wegen weil kein Job. Harz 4 + Kindergeld. Kind wird aber im Kindergarten betreut und versorgt.
Ich war 20 Jahre alt, habe zwar ein Kind bekommen aber noch nichts erreicht, womit ich ihm etwas bieten könnte. SO bin ich ihm kein Vorbild.

Das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich wusste, ich muss eine Ausbildung machen, weil ich eine Verantwortung habe. Ich werde als Mutter ein Leben lang eine Verantwortung tragen und eine Vorbildsfunktion für mein Kind haben. Niemals könnte ich mein Mutter Dasein  als Entschuldigung nehmen, nicht arbeiten zu gehen.
Gerade WEIL ich Mama bin, muss ich etwas machen.

Ich saß im Wohnzimmer und habe überlegt.. Was machst du jetzt? Wie gehst du vor? Etliche Bewerbungen schreiben um dann womöglich doch abgelehnt zu werden? Da ich eine junge Mutter mit einem Hauptschulabschluss war, war ich mir dessen durchaus bewusst, was Arbeitgeber wohl von meiner Bewerbung halten würden.
Selten bekommt man da eine Chance, also muss ich beweisen, dass ich es will.

Ich habe mir also überlegt ein Praktikum zu machen. Wo würde mir die Arbeit Spaß machen? Im Einzelhandel habe ich schon Erfahrungen gesammelt, aber bis dato nur im Textil- und Lebensmittel Einzelhandel. War beides nicht mein Ding.
Ersteres langweilig – letzteres hatte ich immer nur Hunger. Tatsache haha.

Wie wärs mit dm? Da geh ich immer einkaufen. Es gibt dort eigentlich alles was mich interessiert.
Kosmetik, Duschzeug, Shampoo, Wasch- und Putzmittel, Babypflege oder Babynahrung.
Bei Putzmitteln will ich jetzt nicht unbedingt von Interesse sprechen, aber wenn man allein wohnt kennt man sich gezwungenermaßen damit dann auch aus. Ihr wisst schon.
Ich kaufe quasi alles beim dm, außer unsere Lebensmittel. Ich halte mich unfassbar gern dort auf und ich interessiere mich für die Produkte.
Haaa! Ich habs. Ich mach n‘ Praktikum bei dm.

Angerufen in der Filiale in der ich immer einkaufen gehe.
Gefragt, ob ich ein Praktikum machen könnte.
„Ein Schülerpraktikum oder ein freiwilliges?“
Ein freiwilliges natürlich.
Freiwillige Praktikanten werden vermutlich immer gern gesehen, da sie es ja von sich aus machen wollen und kein Pflichtprogramm von der Schule aus absolvieren müssen.
„Da gibt es nur ein kleines ‚Problem‘, ich habe einen 18 Monate alten Sohn, der von 8-16 Uhr im Kindergarten ist.“
„Das ist doch gar kein Problem, dann kommst du von Montag – Freitag immer Vormittags von 9-14 Uhr“
Jaaaaaackpot.

Wenige Tage später war mein erster Praktikumstag. Ich war so motiviert und glücklich arbeiten zu können. Habe alles gegeben, habe mich für alles interessiert, neugierig alles mögliche gefragt, Gas gegeben, jeden Tag etwas Neues gelernt und war immer glücklich und zufrieden. Sehr offen und freundlich zu Kunden und hatte sehr schnell drauf, wo alles steht.

Als ich anfing, war dort eine Auszubildende, die gerade angefangen hatte. 1 Lehrjahr – noch in der Probezeit.
Sie war sehr nett, aber eher zurückhaltend, schüchtern und hatte sich schon in der drei monatigen Probezeit mehrfach krankgemeldet.
Ich, als Praktikantin, war immer da, bin auch mal länger geblieben, als sich eine Kollegin krank gemeldet hatte und war generell einfach so interessiert an der Arbeit. Gut für mich – schlecht für die Auszubildende.
Sie wurde gekündigt.
Dann wurde ich ins Büro geschickt.
Meine Chefin sagte mir, dass sie mir gern die Ausbildungsstelle geben möchte!!

OOOOOHHHH EEEEEMMMM GEEEEE !!!

Nicht im Ernst? Ich habe es geschafft mich zu beweisen? Zu zeigen, dass ich es drauf habe. Zu zeigen, dass ich es will. Zu zeigen, dass ein Schulabschluss nichts über einen Menschen aussagt. Zu zeigen, dass auch Mütter arbeiten können und nicht ihr Kind als Ausrede nehmen es nicht zu tun.

Ich habe Freudentränen geweint. Ich war so überwältigt, dass mir wirklich jemand die Chance gibt.

Ich hatte zu dem Zeitpunkt bereits 3 Monate mein Praktikum gemacht. Unbezahlt aber willig zu lernen. Da ich erst zum nächsten Jahr mit der Ausbildung beginnen konnte, habe ich mein Praktikum weitergeführt wie bisher. Mit meiner zukünftigen Ausbilderin habe ich mich soo gut verstanden. Evi, mit der ich heute noch Kontakt habe (sie ist zwischenzeitlich in eine andere Filiale gegangen) hat mich komplett an die Hand genommen. Sie hat mit mir schon vorbereitend aufs erste Lehrjahr Warenkunde Themen gemacht, mir unfassbar viel beigebracht und mir ihr Wissen so toll vermittelt.
Es macht beiden Parteien einfach Spaß, wenn der eine lernen will und der andere sieht das man lernen möchte und man nicht gegen eine Wand redet.

Es gibt diesen Spruch „Wer wirklich arbeiten will, der findet Arbeit“
Oh ja. So ist es. Ich habe von September – Mai ein Praktikum gemacht. 8 Monate meinen Arsch aufgerissen. Gezeigt was ich kann. Es hat sich bewährt.

Zum offiziellen Vorstellungsgespräch musste ich dennoch gehen. Ich sollte noch eine Bewerbung vorbereiten in die ich reingeschrieben hatte, dass ich bereits ein Praktikum absolviert habe und aufgrunddessen sicher bin hier meine Ausbildung machen zu wollen.

Meine damalige Chefin wurde noch vor mir darüber informiert, dass ich die Stelle sicher hatte. Ich kam jedoch ahnungslos zurück in die Filiale und habe alles erzählt, war Todesnervös und war mir unsicher, ob es geklappt hat. Es war eine offene vorstellungsrunde mit 20 Mitbewerbern. Teilweise hatten die Mädels schon eine abgeschlossene Ausbildung oder Abitur. Ich war verunsichert. Ich weiß, ich bin nicht dumm. Ich hätte es auch haben können, wenn ich nicht so eine turbulente Jugend gehabt hätte, in der ich dezent auf Schule geschissen habe. Ich kam mir trotzdem „schlechter“ vor, weil ich kein Abi vorzuweisen hatte..
Als meine Chefin mich während des erzählens angrinste, sagte sie plötzlich, dass sie längst angerufen wurde und ich alle zu 100% überzeugt hatte. Wuuuuaah jetzt war alles Safe.
Ich war so glücklich. Überglücklich. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt!

Der schönste Satz kam dann noch abschließend von meiner Chefin, denn sie sagte mir, dass sie meine Bewerbung, wenn sie mich nicht gekannt hätte, sofort abgelehnt hätte. Aber ich habe ihr das Gegenteil bewiesen, das man eben doch solchen Menschen wie mir eine Chance geben sollte.
Manchmal haben die, die keinen vorzeige-Lebenslauf haben, mehr zu bieten als die 1,0 Abiturienten die einfach nur alles freiwillige und soziale sammeln, um den Lebenslauf aufzuhübschen. Es kommt im Leben nicht nur auf Perfektion an. Scheinbar nicht perfekte Menschen können es genauso, wenn nicht sogar manchmal besser machen.

 

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1 Kommentar
  • Christina Lenz
    November 17, 2015

    Liebe Kim, du machst mir mut. Ich bin jetzt 20 und bekomme bald mein erstes Baby.
    Ich verfolge Dich schon auf Instagram und rs macht sehr viel Spaß deine Texte zu lesen.
    Ich wusste nich das du einen Hauptschul abschluss und quasi nichts in der Hand hattest bevor du deine Ausbildung angefangen hast.
    Das zeigt mir, ich kann es schaffen. Ich hab einen mittelmäßigen Realschulabschluss aber keine Ausbildung..
    Kannst du uns evtl mal erzählen wie das geklappt hat.. Wie du die tagesstätte finanziert hast? Und den Alltag gemeistert hast?:)